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  • Sasha Müller

Must-read

«Jane Eyre» (1847) von Charlotte Brontë


Unfairer Titel, ich weiss. Aber das Jahr geht bald zu Ende und ich könnte mir nicht verzeihen, diesem Buch keinen Blogpost gewidmet zu haben. Denn wenn ich ein einziges Buch empfehlen müsste, eines als einen Klassiker voraussetzen würde, dann dieses: «Jane Eyre» von Charlotte Brontë.


Nicht nur in meinen Augen ein Klassiker - und absolut zu Recht. Es geht um Liebe, psychische Probleme, Geister, Emanzipation, Familie, Industrialisierung, Glauben und Gleichberechtigung. Wunderbar geschrieben, verständlich und auch heute noch aktuell.





Charlotte Brontë erzählt aus der Ich-Perspektive eine Lebensgeschichte im England der 1840er: Das Waisenkind Jane wächst bei ihrer angeheirateten Tante Mrs. Reed und ihren Cousins auf. Diese können Jane nicht ausstehen und so wird sie von allen Seiten mit den Füssen getreten – teilweise auch wortwörtlich. Beschrieben wird sie als kleines, blasses, optisch reizloses Mädchen, jedoch leidenschaftlich, intelligent und mit einem starken Sinn für Gerechtigkeit. Als Jane sich gegen ihren Cousin wehrt, wird sie von Mrs. Reed auf ein Mädcheninternat für Waisenkinder geschickt. Auch dort muss das Mädchen viel Leid erfahren, denn es herrschen prekäre Verhältnisse. Dennoch bekommt Jane durch das Internat die Chance, sich zu bilden und sich selbst ein Leben aufzubauen.


Mehr sei vorerst nicht erzählt, doch eines verspreche ich: Brontës Geschichte ist nie langweilig oder banal und geht komplett unter die Haut. Unglaublich, wie kraftvoll Jane ihre Schwierigkeiten und Erniedrigungen meistert. Trotz mancher düsterer Passage ist das Buch kein bisschen deprimierend, so viel Stärke bringt die Hauptfigur ihrem Schicksal entgegen. Bewundernswert wie sie diesen Mut aus sich selbst holt, obwohl ihr selbst selten Halt gegeben wurde. Brontës Heldin verkörpert Werte, die man auch heute in Frauencharakteren sucht: Willensstärke, Intelligenz, Gerechtigkeitsliebe, Tiefgründigkeit, Wohlwollen und Selbstreflexion. Kaum vergleichbar mit einem Austen-Roman*, Brontës «Jane Eyre» ist so viel facettenreicher: Sie zeigt die unterschiedlichsten Charaktere und Figuren, Klassen und Stände und illustriert nebenbei noch die historischen Geschehnisse, ohne zu vergessen, eine philosophische Note anzufügen.


Auch im Vergleich mit heutigen starken Frauenfiguren in Literatur & Co. kann Jane mithalten – in einem Masse, wie ich es sonst noch nie bei einer Figur aus einem älteren Werk erlebt habe. Wie sie 1847 wahrgenommen wurde kann man sich kaum vorstellen. Es wurden zahlreiche Stimmen laut, das Buch sei zu radikal sowie unmoralisch und der Gesellschaft nicht zuzutrauen. Obwohl der Roman autobiographisch inspiriert ist und auf Charlotte Brontës eigenem Leben basiert und somit keinen gefährlichen, radikalen Fantasien entsprungen ist.


Eine geniale Geschichte, vor allem auch in Hinblick darauf, dass das Buch vor fast 200 Jahren geschrieben wurde. Ich frage mich, wie sehr man die Hintergründe und die Entstehungsgeschichte eines Buches mit in den Leseprozess einbeziehen soll. «Wuthering Heights» von Charlotte Brontës Schwester Emily habe ich kürzlich gelesen und kann die Geschichte nur schwer verstehen. Mir wurde geraten, Emily Brontës Lebensgeschichte beizuziehen**, denn Emily sei ein besonderer Charakter gewesen, sehr emotional und oft missverstanden. Ob ihre eigene Lebensgeschichte für meine Interpretation von «Wuthering Heights» hilft, wird sich zeigen - ich halte euch auf jeden Fall auf dem Laufenden. Bis dahin, lest «Jane Eyre» und lasst euch von ihrer Kraft inspirieren. Besonders jetzt, in der dunkelsten Zeit des Jahres.


Tschäse & Bussi

Sasha


*Ich mag Austen-Romane. Wirklich. Aber Brontë ist «next-level».

**Soweit ich weiss, hat Elisabeth Gaskell (auch Autorin zu etwa dieser Zeit) eine wunderbare Biographie der Brontë-Schwestern geschrieben.

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