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Elena Willi

Von Okapis, Mönchen und Alaska

«Was man von hier aus sehen kann» von Mariana Leky (2017)


Was passiert mit den Menschen, wenn sie sich ihrer Sterblichkeit bewusst werden? Sie leben etwas verrückter, etwas ehrlicher, vielleicht auch ein wenig bedachter und vorsichtiger. In Mariana Lekys Roman «Was man von hier aus sehen kann» dürfen wir dabei sein, wie eine Dorfgemeinschaft mit dem (mutmasslichen) Fakt umgeht, dass in den nächsten 24 Stunden jemand von ihnen sterben wird.


Denn Luises Oma Selma hat von einem Okapi geträumt. Was im Westerwald, inmitten Deutschlands als Todes-Prophezeiung gedeutet wird. Was also tun mit seinen potenziell letzten 24 Stunden auf Erden? Da ist beispielsweise der Optiker, der schon jahrelang unausgesprochene Liebe mit sich trägt. Soll er sie endlich gestehen? Und da ist Palm, Jäger und Vater eines Sohnes aber stets betrunken. So sehr sogar, dass er nicht einmal bemerkt wie ihm jemand den Tod unterjubeln will.



Als ich Lekys Buch zum ersten Mal in den Händen hielt, dachte ich, die Geschichte sei nicht mehr als das: Eine Dorfgemeinschaft, die mit dem Fakt umgehen muss, dass einer von ihnen sterben wird. Schon in Ordnung, dieses Gedankenexperiment, dachte ich. Aber kennen wir dieses Szenario nicht bereits? Zumindest, dass ein Mensch dem (ziemlich) sicheren Tod ins Auge blicken muss, war für mich nichts Neues.


Wenn sich Menschen der Möglichkeit ihres eigenen Todes mehr bewusst werden, als sie es normalerweise sind, überdenken sie meist ihr Leben, ihre Handlungen und sie fragen sich: Wie soll ich meine letzte Zeit noch möglichst fruchtvoll leben? Auch das passiert in Lekys Geschichte, aber eben nicht nur.


Wir begleiten die anfangs 10-jährige Luise beim Erwachsen werden. Dabei ist sie von Menschen umgeben, die Leky so liebevoll und lebensnah zeichnet, dass ich mir sie alle bildlich vorstellen konnte: Die scheinbar unnahbare und stets schlecht gelaunte Marlies, die doch eigentlich vor allem besonders viel Liebe braucht. Oder Luises bester Freund Martin, der vom Gewichtheben und vom stark sein träumt, vermutlich gerade weil er gegen die Kraft seines Vaters nicht ankommt.


Wider Erwarten drehten sich nur die ersten 100 Seiten, um die Todes-Prophezeiung. Hierbei will ich aber noch erwähnen, dass auch die ersten 100 Seiten unglaublich gelungen und so voll mit Humor und Tiefgang sind, dass man sie sich nicht sparen sollte. Auf jeden Fall hat die Autorin es geschafft, mich zu schockieren, mich laut zum Lachen und nahe ans Weinen zu bringen.


Das Buch ist zwar nicht dick, es erzählt aber unglaublich viel und ist so dicht geschrieben, dass man keine Seite einfach so schnell überfliegen sollte. Wichtige Details könnten verloren gehen, wie der Witz, welcher sich oft zwischen den Zeilen versteckt. Eine Jahrzehnte alte, etwas verkorkste Liebesgeschichte, Trennungen, eine Weltreise und die Begegnung mit einem Mönch, sind nur wenige der Geschehnisse im Buch.


Liest man die Geschichte oberflächlich, könnte man sie rasch als etwas skurrile Kleindorf-Erzählung abtun. Aber schaut man etwas genauer hin, sieht man die vielen psychischen Probleme, die Leky in ihren Roman einflechtet. Depression und Alkoholismus sind zwei vieler Beispiele.


Ja, der Roman ist manchmal absurd, wirkt beinahe übertrieben. Gleichzeitig ist es genau das, was ihn so echt und lebensnah wirken lässt. Die Geschichte passiert einfach, sie geht voran. Menschen sterben, neue Menschen kommen hinzu. Und ist es nicht genau dieser Umstand, der uns im «echten» Leben auch immer wieder überfordert?


Tschäse und Bussi

Elena


P.S. Das Buch habe ich während meines Italienurlaubs gelesen, deshalb das Foto mit Meer-Hintergrund. Die heissen Tage an der Amalfiküste waren perfekt, um am Strand zu liegen und Bücher zu lesen.


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