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  • Eselsohren

«Alles hat seinen Preis»

Bild ohne Mädchen von Sarah Elena Müller, ein Beitrag im Rahmen des Schweizer Buchpreis

Nachdem ich die letzten Seiten dieses Buches gelesen hatte, musste ich nach draussen. Mein Zimmer kam mir einengend vor. Das beklemmende Gefühl ging vom Spazieren nicht weg, aber es wurde besser. Ist es eine Illusion, vor der Ohnmacht weglaufen zu können?


Sarah Elena Müller hat mit ihrem Roman «Bild ohne Mädchen» eine Geschichte geschrieben, die zu Beginn verschachtelt ist, sich immer weiter entflechtet, in der man am Ende seine schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet sieht.





Der Klappentext scheint harmlos: Ein Mädchen darf beim Nachbarn fernsehen, weil die eigenen Eltern Medien misstrauen. Schnell wird aber klar, die Geschichte ist verstrickter. Das Mädchen hat Schwierigkeiten sich mitzuteilen, es nässt in sein Bett und als Freund hat es bloss einen Engel, den es sich einbildet. Die Eltern scheinen überfordert mit der Aufgabe, ein Kind grosszuziehen. Sie versuchen zwar, sich bei einem sogenannten «Heiler» Hilfe zu holen, nur bringt dies wenig. Über das sichtbare Problem des Bettnässens blicken weder die Eltern noch der Heiler hinaus.


So wird aus dem Mädchen, das teils als «Kind» oder «Tochter», aber nie mit einem Namen bezeichnet wird, langsam eine junge Frau. Im Verlauf der Geschichte helfen vor allem die Dialoge mit der Engelsgestalt, der Wahrheit näher zu kommen. Was passierte jeweils während den Besuchen des Mädchens bei seinem Nachbarn?


«Wenn der Engel nochmal er­scheinen könnte, vielleicht hier zu Hause und nicht drüben bei den Nachbarn mit den gefährlich vertauschten Medien, könnte es ihn der Mutter zeigen.»

Kindesmissbrauch ist die Thematik, die Sarah Elena Müller in ihrem Roman aufgreift. Eine Thematik, vor der man lieber die Augen verschliessen würde, die schwer zu benennen ist. Als Leserin ertappte ich mich dabei zu denken: «Bitte lass es nicht so enden.» Obwohl der Ausgang der Geschichte im Grunde schon früh klar ist. Die Gewissheit darüber will man von sich wegstossen, weil es zu heftig ist, weil es ohnmächtig macht.


Die Autorin schaffte es, das Gefühl der Erwachsenen in der Geschichte auch in mir zu erwecken. Weder die Eltern des Mädchens, noch die Partnerin des Nachbars mögen hinsehen. Stattdessen beschönigen sie die Wahrheit, verstecken sie hinter anderen Erklärungen. Als Zeugin ihrer Hilflosigkeit fühlte ich mich selbst hilflos.


Sarah Elena Müller hat Unsagbares aufgeschrieben, sie deutet an und muss dabei nicht einmal explizit werden. Die 208 Seiten sind schwer zu verdauen, aber werden in Happen leichter. Diese Geschichte zu erzählen braucht Mut, sie zu lesen auch. Und ich finde, wir sollten mutig sein.


Tschäse und Bussi

Elena



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