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  • Elena Willi

Das Mädchen im übergrossen Mantel

Momo von Micheal Ende (1973)


Kinnlanges, schwarzes Haar, ein übergrosser orangener Mantel und grosse, runde Augen: so stelle ich mir die Figur Momo in meinem Kopf vor. Und immer wenn eine meiner Kolleginnen in einem grossen Mantel gekleidet ist, muss ich an Momo denken. Dazu soll noch erwähnt werden: Bevor ich das Buch von Michael Ende kannte, sah ich jeweils die Zeichentrickserie im Fernsehen an. Das hat meine Vorstellung von Momo stark geprägt. Schon damals faszinierte mich das Mädchen, das mit einer Schildkröte ganz alleine in einem Amphitheater lebte.


Momo wirkte auf mich so stark, selbstständig und irgendwie geheimnisvoll. Woher kommt dieses kleine Mädchen? Wo sind ihre Eltern? Wie überlebt sie? Diese Fragen hat sich dann mein etwas älteres Ich gestellt und nach dem Buch gegriffen.



Die Geschichte von Michael Ende würde ich am liebsten immer wieder lesen - gäbe es da nicht so viele andere Bücher. Die Geschichte ist voller mit Liebe, besonders was die Freundschaften von Momo angeht. Das kleine Mädchen ist eine Meisterin des Zuhörens und gibt ihren Freund*innen dadurch so viel. Gigi Geschichtenerzähler und Beppo Strassenkehrer sind zwei der wichtigsten, die ich schon als Kind in mein Herz geschlossen habe. Wie sie einen so selbstverständlich liebevollen Umgang mit Momo pflegten, obwohl oder vielleicht gerade weil sie vielen Normen nicht entspricht.


Die grössere Aussage der Geschichte blieb meinem jüngeren Ich aber noch unverständlich. Zwar verstand ich, dass es irgendwie um das Konzept der Zeit geht und die grauen Männer wohl nicht besonders freundlich sind. Aber tiefgehender verstand ich die Geschichte erst später.


Momo kämpft gegen die immerzu rauchenden, grauen Männer, die den Menschen ihre Lebenszeit stehlen. Zuerst noch unbemerkt, mischen sich die grauen Gestalten unter die Menschen. Nach und nach ergraut die ganze Welt, weil die Freude verloren geht. Niemand ausser der kleinen Momo scheint diesen Umstand so wirklich wahrzunehmen.


Gerade jetzt, wenn ich diese Zeilen schreibe, treiben mich immer wieder Gedanken um, wie ich meine Zeit am besten nutzen kann. Wie soll ich alles unter einen Hut bringen? Wie möglichst das Beste aus allen Tagen herausholen? Alles soll immer möglichst schnell und reibungslos ablaufen.


Manchmal finde ich mich wieder in dem Hamsterrad des Alltags, wo sich Uni, Arbeit, Sport, Freunde und Familie irgendwie zu einem Klumpen formen. Oft verheddere ich mich dann darin. Wer oder was sind die «grauen Männer» unserer Zeit, vor denen wir uns schützen müssen? Den Fokus wieder auf das zu legen, was mir wichtig ist, ist manchmal schwieriger als gedacht. Denn was, wenn einem einfach alles so unglaublich wichtig ist? Eine Antwort darauf, muss ich wohl alle Tage wieder finden.


Eigentlich hoffe ich, dass ihr die Geschichte von Michael Ende alle ohnehin schon kennt. Falls dem aber nicht so ist, lege ich es euch ans Herz, die Lektüre nachzuholen. Egal wer und wie alt man ist, Momo in ihrem übergrossen Mantel bringt Geborgenheit – etwas das man auf dieser Welt gut gebrauchen kann.


Was ich noch sagen wollte: Das Theater zu Momo im Schauspielhaus würde ich leider nicht empfehlen. Zum Geburtstag haben mir nämlich zwei meiner Freundinnen den Besuch dorthin geschenkt und wir alle waren etwas enttäuscht. Zu wenig von Endes Geschichte haben wir in dem über zweistündigen Stück wiedererkennt. Statt einer Schildkröte gab es einen Roboterhund, statt einem Amphitheater war das Bühnenbild in Form einer drehenden schwarzen Scheibe extrem schlicht. Ein Schauspieler war gar nur via Tablet zugeschaltet. Es war wohl ein Versuch, Momo in die Modernität zu holen. Für mich ging dabei leider die Wärme, das Liebevolle, was mir an Momo so gut gefällt, verloren.


Tschäse und Busi


Elena



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