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  • Eselsohren

Einsam zwischen Alltag und Atomen

Sich lichtende Nebel von Christian Haller, ein Beitrag im Rahmen des Schweizer Buchpreis


Wie sicher ist unser Wissen? Gibt es nur eine Realität? Und falls nicht, in welcher befinden wir uns, befinde ich mich? Neues Wissen zu entdecken heisst auch, über die Grenzen des bereits bekannten hinauszugehen, neue Realitäten zu erfahren. In seiner Novelle «Sich lichtende Nebel» beschreibt Christian Haller, wie einsam sich seine beiden Protagonisten mit ihrer Erfahrung der Welt fühlen.



Zum einen folgen wir einem Wissenschaftler, der eine fiktionale Version des Physikers Werner Heisenbergs darstellt. Dazu schreibt der Autor im Nachwort, dass die Schriften Heisenbergs ihn zu dieser Novelle inspiriert haben. Zum anderen Helstedt, einem pensionierten Professor für Geschichte. Ihre Leben kreuzen sich nur kurz, doch daraus keimt die ganze Erzählung.


Werner Heisenberg begleiten wir zuerst in Kopenhagen, wo er den einstigen Professoren Helstedt im Lichtkegel einer Strassenlaterne auftauchen, dann wieder verschwinden und im Licht der nächsten Laterne wieder auftauchen sieht. Wie ist das möglich und wo war der Mann in der Zwischenzeit, also zwischen den beiden Lichtkegeln? Diese Fragen lassen den jungen Wissenschaftler nicht mehr los und so beschliesst er nach Helgoland zu reisen, um sich dort in Ruhe Zeit für seine Überlegungen zu nehmen.


Helstedt begleiten wir in seinem Alltagsleben in Kopenhagen, das er seit dem Tod seiner Frau weitgehend alleine bestreiten muss. Da ist nur sein Freund Sörensen, mit dem er sich oft streitet und in Diskussionen verrennt. So auch über das Phänomen der «Glutfunken», der bewegenden Energie, die er einmal in eigentlich fester Materie zu sehen glaubt. Sein Erleben ist für Helstedt als Historiker schwerer fassbar und sein Freund Sörensen hat für diese Erfahrungen vor allem Spott übrig.


Helstedt ist ohne es zu wissen der wichtigste Ausgangspunkt für Heisenbergs physikalische Theorie, welche er auf Helgoland formuliert. Was die beiden eint, ist der Umstand, alleine mit ihren Erfahrungen zu sein, damit zu ringen, die richtigen Worte dafür zu finden. Beide befinden sich auf einer Berg- und Tal- Fahrt, zwischen Euphorie und Ernüchterung.


Christian Haller bringt ein abstraktes Thema wie die Quantenmechanik etwas näher in die Alltagswelt. Wie verständlich die physikalischen Mechanismen den Lesenden nach der Lektüre sind, mag umstritten sein. Auf jeden Fall erhalten wir Einblick in die Faszination, die Wisschenschaftler*innen entwickeln können. Wir erleben mit, welche Welten sich ihnen eröffnen, wenn sie mit dem geschärften Blick ihrer Disziplin durch die Welt gehen. Nicht alle würden beim Betrachten eines Mannes in Lichtkegeln sofort an Atome denken, oder? Wir erleben mit, wie die Faszination belebend und bremsend sein kann und wie wichtig dabei das Teilen mit unseren Mitmenschen ist.


«Sich lichtende Nebel» ist kein wissenschaftlicher Text. Zwar ist Physik ein integraler Teil der Geschichte, jedoch steht dahinter die Einsamkeit und das Ringen mit dem Unsagbaren. Wie für die Protagonisten im Buch, lichtet sich der Nebel auch für die Lesenden, die immer klarer sehen, was Helstedt und Heisenberg wahrnehmen.


Das Buch liest sich schnell, weil Haller eine klare und präzise Sprache wählt und weil man mit der Faszination mitgerissen wird. Die Lektüre regt zum Denken an, sie stellt unsere Wahrnehmung in Frage. Das tut sie umso mehr, weil wir in einer Zeit leben, in der besonders die visuelle Wahrnehmung oft sehr wichtig ist.



Tschäse & Bussi

Elena



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