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  • Elena Willi

Fiebertraum

«Dürrst» von Simon Froehling (2022), ein Beitrag im Rahmen des Schweizer Buchpreis


Hattest du schon einmal das Gefühl, zu ertrinken? Kennst du die kleine Schrecksekunde, wenn du zu tief getaucht bist und der Atem beim Auftauchen nur noch ganz knapp bis zur Wasseroberfläche reicht? Das Gefühl, das Herz setzt für einen Schlag aus, ein Strom aus Angst durchfährt den Körper, man fühlt sich elektrisiert.


Dieses Gefühl hat Simon Froehling mit seinem Roman «Dürrst» bei mir ausgelöst. Es ist eine Atemlosigkeit, mit der er erzählt, mit der ich als Leserin von Zürich nach Athen nach Kairo nach Edinburgh nach Berlin katapultiert werde. Ohne Vorwarnung – das Buch kommt ohne Kapitelüberschriften aus – finde ich mich immer wieder an einem anderen Ort. Mal liege ich im Bett in Athen, mal bin ich in einem besetzten Haus in Zürich, mal in einer Berliner Stadtwohnung.



Besonders die Strassen Zürichs, kann ich mir so bildhaft vorstellen, als stünde ich wirklich da, also würde ich wirklich als Dürrst über die Langstrasse gehen oder als würde ich wirklich auf meinem Heimweg durch die Bäckeranlage spazieren.


So nimmt uns Froeling mit in den Kopf von Dürrst, der noch in jungen Jahren aus seinem Elternhaus auszieht, Künstler werden will und zu seinem Freund in ein besetztes Haus zieht. Wir sind dabei, bei seinen künstlerischen Höhen- und psychischen Tiefflügen. Wir sind Zeuginnen seiner Ideen, seiner Gedanken. Wir gehen mit ihm in Therapiestunden zu Dr. Hammer. Schlucken mit ihm Medikamente. Mit ihm mögen wir nicht aufstehen und mit ihm können wir uns vor Energie kaum halten.


Froehling erzählt die Geschichte in der Du-From, die auf mich manchmal ermüdend wirkte und das Gefühl vom Ertrinken verstärkte. Zu viel, es ist zu viel was der Protagonist Dürrst und durch seine Augen ich als Leserin erlebe: Die unglaublich kalt anmutende Beziehung zu seinen wohlhabenden Eltern, Klinikaufenthalte, Drogen- und Medikamentenkonsum und oftmals schmerzhafte Liebschaften.


Dürrsts Bipolare Störung war für mich das vorherrschende Thema dieses Romans. Dafür bin ich Froeling dankbar, denn das enttabuisieren psychischer Erkrankungen muss unbedingt weiter gehen. Mit seiner Geschichte bekommen wir eine Idee, eine Ahnung davon wie es sein könnte, wenn der Alltag von extremen Höhen und Tiefen bestimmt wird.


Und es ist genau dieses Hin und Her, dass die Geschichte ermüdend und spannend zugleich macht. Was wird noch alles kommen? Wie geht die Geschichte aus? Wird er am Ende einfach glücklich sein? Wird er als Künstler seinen Durchbruch haben?


Wer den Roman lesen mag, sollte wissen, dass eine Geschichte voller Feinheit und zugleich brutaler Realität wartet. Das Lesen lohnt sich und dazwischen Durchatmen und Auftauchen ebenso.


Tschäse und Bussi

Elena



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