Swing time von Zadie Smith (2017)
Das «Ich» in diesem Buch trägt keinen Namen. Zugegeben, lange ist es mir nicht aufgefallen, weil ich mich schlicht nicht danach gefragt habe. Ich fühlte mich in der Geschichte aufgehoben, dass ich mich wohl so sehr mit der Erzählerin identifizierte, dass der Name unwichtig schien. Mich selbst nenne ich ja auch nur höchst selten beim Namen.
Die ersten Seiten von Zadie Smith’s Roman «Swing time» las ich in Kürze. Sie handeln von der Freundschaft zwischen der Erzählerin und Tracy. MIt ihrem identisch braunen Hautton stechen sie unter den sonst überwiegend weissen Mädchen hervor. Und beide tanzen Ballett. Immer wieder wird ihre Beziehung von Eifersucht, Konkurrenzkampf und dem Verhalten ihrer Eltern auf die Probe gestellt.
Man fühlt mit diesen Mädchen mit, deren Traum es ist, einmal mit Tanzen berühmt zu werden. Sie wachsen im gleichen Londoner Vorort auf, sehen sich in ihren Sozialbauwohnungen Videos von Musicals und Tänzern an. Dann probieren sie die Besten ihres Fachs, wie Michael Jackson, zu imitieren.
Tracy hat grosses Talent, während man bei ihrer Freundin schon früh Plattfüsse feststellt. Dennoch halten beide an ihrem Wunsch fest. Als Leserin begleitet man die Mädchen zum Einkaufen, an Kindergeburtstage und zur Schule. Beinahe überall ist die Hautfarbe, die Chancenungleichheit, der Rassismus ein Thema – wenn auch oft unterschwellig.
Im zweiten Teil des Buches kam dann der Bruch meines Leseflusses. Dort bringt Zadie Smith nämlich den zweiten Erzählstrang ein, in dem die Erzählerin in ihren 20igern ist und als Assistentin für eine Musikerin arbeitet.
Diese Zeitebene spaltet die Geschichte in zwei Teile. Im Zweiten hat die Freundschaft zu Tracy aber nur am Rande Platz, was mich enttäuscht hat. Zu gerne hätte ich noch mehr über die beiden Mädchen erfahren, hätte ich noch mehr mit ihnen erlebt. Stattdessen wechselt Smith die Szenerie und lässt die Leserin mit der Sängerin Aimee um die Welt touren.
Hätte Smith besser zwei Bücher aus diesem einen gemacht? Für mich lautet die Antwort «Ja». Denn grundsätzlich ist die zweite Ebene ebenso spannend wie die erste. Sie wirft Fragen nach dem Umgang mit Reichtum auf. Zum Beispiel, wenn die Sängerin Aimee eine Schule in Afrika baut, das aber als «Hobby» sieht. Jedoch spricht Smith für mich in beiden Handlungssträngen so viele Themen an, dass ich sie lieber vertieft und in zwei Romanen gelesen hätte.
Ich bin gespalten. Der zweite Handlungsstrang der Geschichte fühlte sich für mich an, wie ein ganz anderes Buch, so als ob er gar keine Verbindung zum ersten Teil hätte. Die Erzählung springt zwar immer wieder zwischen den Geschichten hin und her und verbindet sie gegen Ende auch wieder – nur war mir das irgendwie zu spät.
Der Wechsel zwischen der Freundschaft mit Tracy und der Arbeit als Assistentin für Aimee holte mich immer wieder aus dem «Flow». Andere würden vielleicht genau das mögen.
Für meinen Teil freue ich mich jetzt schon auf weitere Lektüre von Zadie Smith, «Swing Time» war nämlich bereits ihr fünfter Roman. In meinem Büchergestell wartet beispielsweise «Grand Union» auf mich, eine Sammlung aus 19 Kurzgeschichten.
Tschäse und Bussi
Elena
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