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  • Sasha Müller

Von Berg nach Schweden

"Der Mann schläft” (2009) Sibylle Berg, “GRM.Brainfuck” (2019) Sibylle Berg und “Wir hier draussen. Eine Familie zieht in den Wald” (2017) von Andrea Hejlskov


Manche Bücher kauft man aufgrund des ansprechenden Covers oder Titels. Andere landen wegen einer Empfehlung oder einer Rezension bei mir auf dem Nachttischchen oder wegen einem spannenden Themengebiet. Die meisten meiner Bücher kaufe ich aber nach Autor*innen.

Ich weiss gerne, worauf ich mich freuen kann, welche Themen und welcher Schreibstil mich erwarten. Bücher von der gleichen Person zu lesen, ist wie die Speisekarte eines bestimmten Restaurants. durchzuprobieren: M Man findet überall Ähnlichkeiten aber auch Unterschiede.

In der Stammbeiz ist alles gut, was man bestellt - aber irgendwie schmeckt alles sehr ähnlich. Darum hat man meistens noch ein Lieblingscafé, einen Vietnamesen des Vertrauens und den Italiener, bei dem man die Bedienung persönlich kennt. Jede Lebenssituation verlangt nach dem passenden Lokal und dem passenden Buch - am besten in Kombination.





«Der Mann schläft» ist das zweite Buch, welches ich von Sibylle Berg gelesen habe.

Berg erzählt eine moderne Liebesgeschichte der etwas anderen Art: Eine Frau liebt einen Mann. Trotz des Hasses, des Neids, der Angst und Verzweiflung, welche das menschliche Zusammenleben prägen, schafft sie es glücklich zu sein. Das Paar verlässt ihren glücklichen Alltag in der Schweiz und reist nach China. Der Mann verschwindet auf unerklärliche Weise und die Frau muss sich alleine zurechtfinden.

Aus der Perspektive der Frau erzählt Berg sachlich und unromantisch, wenn auch nicht ohne Wärme, über das Leben als Paar. Jedes Kapitel ist abwechselnd aus der Vergangenheit in der Schweiz und der Gegenwart in China geschrieben. Mit ihrem witzigen und herausfordernden Schreibstil greift Sibylle Berg ihre Leser*innen mit ihren bissigen Vorwürfen an die Gesellschaft an. Nicht wenige Male wollte ich mich und die Gesellschaft vor dem Buch rechtfertigen, hatte Frau Berg doch ein gar pessimistisches Weltbild gezeichnet.


Auf Sibylle Berg bin ich vor einem Jahr durch den Roman «GRM. Brainfuck» gestossen. Gewinner des Schweizer Buchpreises und eines der beeindruckendsten Werke, die ich je gelesen habe.

Vier Jugendliche leben in England nach dem Brexit und sind der Gesellschaft komplett ausgeliefert. Sie überstehen Gewalt, Einsamkeit, sexuelle Übergriffe und alle Grausamkeiten dieser Welt. Ohne einen einzigen Lichtblick - 634 Seiten lang. «GRM. Brainfuck» knallt den Leser*innen alles Schlechte ins Gesicht verpackt in eine aggressive, ehrliche Sprache - die witzig sein könnte, wäre nicht alles so traurig.

Dieses Buch muss man ertragen können. Nach der Lektüre von «GRM. Brainfuck» war mein erster Impuls die Gesellschaft zu verlassen und in den Wald zu ziehen, so ausweglos und schrecklich erschien mir das Leben in unserer Gesellschaft.


Daraufhin verbrachte ich in Buchhandlungen viel Zeit bei den Regalen mit den «Aussteiger-Büchern» , ein Genre ganz für sich. So stiess ich auf Andrea Hejlskovs «Wir hier draussen. Eine Familie zieht in den Wald». Hejlskov erzählt die wahre Geschichte über sich und ihre dänische sechsköpfige Familie, die genug von der Gesellschaft hat und in den Wald nach Schweden zieht. Wie in «Der Mann schläft» und «GRM. Brainfuck», wird sehr kritisch über das Leben in unserer Gesellschaft berichtet, ohne jedoch das Leben im Wald zu verherrlichen. Hejlskov schreibt über das Leben in der Natur, ihre Familie und ihre Rolle als Frau und Mutter, sehr direkt und offen. Immer wieder musste ich während der Lektüre zurück an «GRM.Brainfuck» denken und zog folgendes Fazit: Frau Berg hat sicherlich Recht mit ihren Angriffen auf unsere Gesellschaft. Aber sie verschweigt alle guten Dinge in unserem Leben, die muss man als Leser*in selber zu der Geschichte mitdenken. Schliesslich handelt es sich bei Frau Berg um Literatur und nicht um blosse Unterhaltung.


Hätte Frau Berg ein Restaurant, würde ich es zu einem meiner Stammlokale machen. Spannender könnte eine Autorin kaum sein, sowohl privat als auch in ihren Büchern - und ich habe davon erst zwei gelesen. Die deutsch-schweizerische Autorin recherchiert viel für jedes ihrer Werke und würzt diese mit einem reichen, ungewöhnlichen Schreibstil. Ihre Bücher mögen ähnlich schmecken, aber sie beinhalten immer neue überrschende Zutaten, welche jede Lektüre überraschend und einzigartig machen. Immer wieder ein Genuss - auch wenn vielleicht etwas komplexer und schwerer zu verdauen als die vertraute Lasagne vom gemütlichen Italiener.


Übrigens führen euch die drei Bücher dahin, wo ich bin, wenn ihr diesen Post lest: Nämlich in Schweden im Wald.


Tschäse & Bussi

Sasha


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