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  • Sasha Müller

Aufbruch in die Übersetzung

«Naokos Lächeln» (1987) von Haruki Murakami

Wie wahrscheinlich die meisten Schweizer*innen, lese ich hauptsächlich europäische und nordamerikanische Bücher. Ein paar wenige Ausreisser finde natürlich auch ich in meinem eurozentristisch geprägten Bücherregal. Wie ich aber etwas beschämt zugeben muss, sind das nicht viele.


Möglicherweise hat die spärliche Auswahl damit zu tun, dass ich normalerweise einen grossen Bogen um Übersetzungen mache. Ich erfahre die Geschichte gerne in ihrer originalen Form, ich möchte den Inhalt nicht in einen fremden Mantel gezwängt kennenlernen - auch wenn dieser massgeschneidert ist. Vieles kann ich zum Glück in der Originalsprache lesen, bei Japanisch wird es aber schwierig. Daher habe ich angefangen, die deutsche Fassung von Haruki Murakamis «Naokos Lächeln» zu lesen. Angefangen, wohlgemerkt, denn bei Seite 100 entschied ich mich abzubrechen.


So, aus, fertig. Den Blogpost braucht ihr demnach nicht zu Ende zu lesen, denkt ihr jetzt, geehrte Lesenden, denn wer will schon ein schlechtes Buch aufschlagen. Nur entscheide (gottseidank) nicht ich, ob ein Buch nun allgemein objektiv und für alle Ewigkeit als gut oder schlecht befunden wird. Mir selbst wurde das Buch nämlich von einem überaus begeisterten Freund empfohlen. Und zumindest ihm schulde ich eine Erklärung.


Murakamis Geschichte beginnt im Flugzeug: Toru Watanabe, in seinen späten Dreissigern, fliegt ins verregnete, graue Deutschland. Als nach der Landung eine Coverversion von «Norwegian Wood» der Beatles läuft, verliert Toru die Fassung - zu stark erinnert ihn dieses Lied an bittersüsse Erfahrungen seiner Jugend, an Naoko. Anschliessend beginnt er zu erzählen: Von seiner Zeit als Student, von Träumen und Sehnsüchten und von Liebe.


Melancholische, alte Männer, dachte ich. Again. Warum ist diese Figur bloss so inspirierend, @Peter Stamm, Martin Suter, Pascal Mercier? Ich frage mich, ob das so eine gesellschaftliche Sache ist: In der Öffentlichkeit sind traurige, weinende Männer inakzeptabel, dafür findet man sie Zuhauf in der Literatur und im Film? Selbstverständlich gibt es auch gute Geschichten mit melancholischen Männern, bei dem Angebot nicht weiter erstaunlich, wie beispielsweise «Unterwegs nach Ochotsk» und «Nachtzug nach Lissabon». Es war nämlich nicht der melancholische Mann, der mich dazu bewog, das Buch wegzulegen. Es war die Sprache, über die ich mich ärgerte.


Massenhaft überflüssige Wörter und Sätze - was man in zwei Zeilen sagen kann, wird auf eine halbe Seite aufgeplustert. Zu viele Details aus dem Ärmel gezogen, zu viele wortwörtliche Dialoge. Immer wieder hochstehende Wörter, die nicht ins restliche Konzept der sonst saloppen Sprache passen. Andauernd wurde ich aus der Geschichte gerissen: Durch einen Satz, der für mich nicht zur Handlung passen wollte. Durch ein Wort, welches die Stimmung zerstörte, wie ein Clown an einer Beerdigung.


Dazu kommen geschlechtsspezifische Annahmen, welche nicht wirklich begründet sind, wie z.B. «‘Gerechtigkeit’ ist ein Wort das Männer benutzen.». Auch 1987 passt dieses Zitat nicht in das Konzept der jungen offenen Studenten - selbst in der Schweiz hatten sich zu dieser Zeit die Frauen schon getraut, das Wort «Gerechtigkeit» in den Mund zu nehmen.


Ich glaube dir nicht, Murakami, was du da erzählst. Das ist mir nicht authentisch genug. Oder liegt es am kulturellen Unterschied, an der Übersetzung? Vom Asiatischen ins Europäische, von Japanisch auf Deutsch, vom alten Mann zur jungen Frau?


«Naokos Lächeln» werde ich sicher nicht mehr aufschlagen. Ich hoffe aber, dass ich noch Freude an asiatischer Literatur finde und dass mein Bücherregal etwas an multikultureller Vielfalt gewinnt. Und dass ich nicht immer an Übersetzungen scheitere.


Tschäse & Bussi

Sasha

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